Comeback: Die Lambretta brettat wieder

Ansichtssache | Guido Gluschitsch, derStandard.at, 17. Dezember 2012

Neben der Vespa ist die Lambretta der italienische Kultroller. Zwischen den Fahrern herrscht eine Markenrivalität, die neu entfacht werden könnte

 

foto: lambretta

Vor eineinhalb Jahren schien in Turin die aufgesetzte Rivalität zwischen Vespisti und Lambrettisti so gut wie aus der Welt geräumt. Als bei einer Veranstaltung eines Getränkeherstellers, der mit seinen Büchsen beflügeln möchte, hunderte Vespas durch das Lingotto fahren, mischen sich mehrere Lambrettas darunter. Und niemanden stört es.

 

foto: fiat

Das kann aber auch an der Veranstaltung liegen. Das Lingotto ist die alte Fiat-Fabrikshalle in Turin, die 1982 geschlossen wurde, und auf deren Dach eine Glaskuppel sitzt. In dieser wiederum pflegte Fiat-Chef Umberto Agnelli zu sitzen. Denn das Lingotto ist so aufgebaut, dass die Produktion jedes Fiat im Erdgeschoß begann. Im Zuge seiner Fertigstellung wanderte der Wagen Etage über Etage nach oben, bis er am Dach ausgespuckt wurde. Dort befindet sich eine ein Kilometer lange Teststrecke mit Steilkurven, die jeder Wagen unter den Augen Agnellis zurücklegen musste.

 

foto: lambretta

Diese ovale Schnecke, die sich vom Boden bis zum Dach zieht legten 2011 Vespas und Lambrettas zurück. In ungewohnter Einheit. Denn als nach dem zweiten Weltkrieg Innocenti damit begann die ersten Lambrettas herzustellen, kamen auch die Vespas auf den Markt. Pepsi gegen Coca Cola. Steve Jobs versus Bill Gates. Burger King gegen Mac Donald‘s.

 

foto: lambretta

Die 1950er-Jahren sind die Blütezeit in Italien. Die "Comedia all‘italiana" macht Marcello Mastroianni zum Star. Gina Lollobrigida wird der Inbegriff der Italienerin, in ihrem Windschatten tauchen Sophia Loren, Claudia Cardinale oder Senta Berger auf. Ihnen gegenüber stehen Adriano Celentano, Alberto Sordi oder Nino Manfredi. Auf der Leinwand wie davor wird geraucht, als würde man dafür bezahlt. Im Kino sind es nur Zigaretten. Auf der Leinwand sind es auch Roller. Vespas und Lambrettas.

 

foto: lambretta

In den 1960er-Jahren bricht das Rollergeschäft in Italien ein. Der Topolino ist weitaus interessanter als ein motorisiertes Zentralrohr mit einem Blech, das die Füße vor den Pfützen schützt. Inzwischen hat Lambretta den ersten Roller mit Scheibenbremsen vorgestellt. Aber das Unternehmen leidet unter dem Geschäftsrückgang. Innocenti konzentriert sich mittlerweile auch lieber auf die Produktion von Autos als auf die Zweitakt-Roller. Auch wenn letztere erst das Geld ins Unternehmen spülten, die Innocenti in Lizenz den Austin A40, den Allegro, den Mini und 1992 sogar ein Yugo-Cabrio für Zastava bauen ließen.

 

foto: lambretta

S.I.L., Scooter India Ltd, die damals schon eine Lambretta-Lizenz hatten, kauften alle Fertigungsmaschinen auf, und bauten noch bis in die 1990er-Jahre Lambrettas mit nur wenigen Änderungen.

2011, als die Vepas und Lambrettas in trauter Einigkeit durch das Lingotto knattern, ist aber schon klar, dass Lambretta neu erstehen wird. Heute stehen auch schon die ersten Modelle bei den Händlern.

 

foto: lambretta

Sie ist schön, die Lambretta - eine italienische Diva, wie man es erwartet. Kein Wunder, kommt das Design der neuen Lambretta doch aus Italien und zollt der Geschichte Tribut. Auch die Produktion der Karosserie steht in Italien, versprechen die Männer hinter Lambretta.

Doch nun die bittere Nachricht. Der Motor kommt von SYM. In Taiwan wird aber nicht nur das 9 PS starke Herz der Lambretta LN 125 erzeugt, sondern auch die Assemblierung des Rollers findet hier statt.

Der Einzylinder-Viertakter hat einen Hubraum von 124,6 Kubikzentimeter und schiebt einen nur 109 Kilogramm schweren Roller an. Hinten ankern wieder Trommelbremsen. Es geht also nicht nur vorwärts mit Lambretta.

Auch wenn sich die taiwanesisch-italienische Kombination auf den Preis auswirkt - 3.299 Euro kostet die Lambretta LN 125 - eine Niederlage für Roller-Traditionalisten ist es dennoch.

Der Fernost-Anteil in der Lambretta könnte der Grund dafür sein, warum Vespisti die neue Lambretta letzten Endes doch nicht hassen. Aber halt nur, weil sie sich nicht als konkurrierendes Motorino akzeptieren.

foto: lambretta

(Guido Gluschitsch, derStandard.at, 17.12.2012)